Im
Alltag werden selten alle Möglichkeiten der gesundheitlichen
Versorgung von Senioren ausgeschöpft. So nehmen ältere Menschen zwar
viele verschiedene Medikamente ein, kennen die Wechselwirkungen der
Substanzen aber nicht. Oder sie haben wenig bis keinen Kontakt zu
Fachärzten und Therapeuten. Es ist daher wichtig, ein individuell auf
den Bedarf des Seniors zugeschnittenes Gesundheits-Netzwerk aufzubauen.
Ein Gesundheitswerk-Netzwerk besteht
aus verschiedenen Professionen (Ärzte, Ergo- und Physiotherapeuten,
Logopäden, Pflegefachkräfte), stationären Einrichtungen (Krankenhäuser,
Reha-Kliniken) und privatwirtschaftlichen Unternehmen (Apotheken,
Sanitätshäuser).
# Der Hausarzt: Als Vertrauter und Lotse unentbehrlich
Der Hausarzt ist immer der erste
Ansprechpartner innerhalb des Gesundheits-Netzwerks Ihres Angehörigen!
Er hat alle Fäden in der Hand und übernimmt die Funktion eines Lotsen.
- Hausärzte sind meist Fachärzte für Allgemeinmedizin oder Internisten mit Schwerpunkt hausärztliche Versorgung.
- Im
Idealfall kennt der Hausarzt Ihren Angehörigen seit vielen Jahren und
ist mit seiner Krankengeschichte gut vertraut. Sobald eine
weiterführende Diagnostik nötig ist, stellt er eine Überweisung zum
Facharzt (z.B. Orthopädie, Neurologie, Pneumologie oder Urologie) aus .
- Bitte
achten Sie darauf, dass der Hausarzt alle fachärztlichen Befunde kennt
und über die Verordnung von Medikamenten Bescheid weiß. Damit lassen
sich Doppeluntersuchungen vermeiden und Wechselwirkung von Substanzen
reduzieren.
- Bei
älteren Menschen mit mehreren chronischen Erkrankungen macht der
Hausarzt regelmäßige Hausbesuche oder bittet den Patienten in seine
Praxis. Dort kontrolliert er medizinische Parameter wie Blutwerte,
Blutdruck, Puls oder Blutzucker.
- Der
Hausarzt verordnet therapeutische Maßnahmen wie Physiotherapie,
Ergotherapie und Logopädie. Im Idealfall tauscht er sich mit den
Therapeuten über den Verlauf der Maßnahmen aus und bezieht die
Erkenntnisse in die Therapieplanung ein.
- Gesetzliche
Krankenkassen bieten verschiedene Hausarztmodelle an und stärken den
Mediziner damit in seiner Rolle als Koordinator. Es lohnt sich, bei
Ihrer Krankenkasse nachzufragen.
# Fachärzte: Spezialisten für einzelne Krankheitsbilder
- Fachärzte sind auf ein medizinisches Fachgebiet spezialisiert. Die Überweisung erfolgt durch den Hausarzt.
- Ist der
Transport zur Facharztpraxis krankheitsbedingt schwierig, können Sie ein
Rollstuhltaxi bestellen. Die Kosten werden von der Krankenkasse
erstattet, sofern der Hausarzt den Transport verordnet hat. Fachärzte
führen in den meisten Fällen selbst keine Hausbesuche durch.
- Manche
Hilfsmittel dürfen ausschließlich von Fachärzten verschrieben werden.
Wer z.B. ein Gerät zur Sauerstofftherapie benötigt, benötigt eine
Verordnung vom Facharzt für Lungenkrankheiten. Darüber hinaus haben
Spezialärzte durch ihr höheres Budget mehr Spielraum bei der
Verschreibung von Medikamenten, Heil- und Hilfsmitteln.
- Die wichtigsten Fachgebiete für Senioren:
- Innere Medizin (Spezialisierung auf Herz-Kreis-Erkrankungen, Lungenkrankheiten, Magen-Darm-Beschwerden oder Krebs-Erkrankungen),
- Neurologie
(Erkrankungen von Gehirn und Nervensystem; z.B. neuromuskuläre
Beschwerden, Demenz, Parkinson, MS, ALS, psychische Beschwerden),
- Orthopädie (Frakturen, Arthrose, Osteoporose, degenerative Erkrankungen des Skelettsystems),
- Urologie (vor allem für Männer relevant bei Erkrankungen des harnableitenden Systems oder der Prostata),
- Gynäkologie (postmenopausale
Erkrankungen, Probleme der ableitenden Harnwege, Krebserkrankungen.
Frauenärzte arbeiten häufig mit Urologen zusammen),
- Hals-Nasen-Ohren Heilkunde (HNO) besonders wichtig für Menschen die auf Hörgeräte angewiesen sind.
Fachärzte sind Experten für ein medizinisches Fachgebiet, haben aber
in der Regel nicht die gesamte Anamnese des Patienten im Blick.
Begleiten Sie Ihren Angehörigen daher zu Facharztterminen und klären den
Mediziner über weitere Diagnosen und Medikamentenverordnungen auf. So
werden Wechselwirkungen vermieden!
Scheuen Sie sich nicht, Ärzte ausführlich zu ihrem Fachgebiet zu
befragen. Es ist sinnvoll, alle Anliegen vorher schriftlich zu notieren.
Damit vergessen Sie in der Aufregung – gerade bei schwerwiegenden
Diagnosen – nichts Wichtiges.
# Zahnarzt: Mindestens ein Besuch pro Jahr ist Pflicht
Auch bei älteren Menschen steht der
regelmäßige Besuch beim Zahnarzt auf dem Programm. Entzündete, eitrige
Zähne oder schlecht sitzende Prothesen mit Druckstellen verursachen
Senioren oft Probleme. Menschen mit Demenz sind häufig nicht in der
Lage, ihre Schmerzen adäquat auszudrücken. In der Folge entstehen
Nahrungsverweigerung oder Mangelernährung.
# Krankenhaus: Bei akuter Verschlechterung
- Eine
Aufnahme ins Krankenhaus erfolgt durch Einweisung eines niedergelassenen
Arztes oder bei einem Notfall durch den Notarzt bzw. Rettungsdienst.
- Grundsätzlich
gilt freie Krankenhauswahl durch den Patienten oder seine Angehörigen.
Im Notfall entscheidet der Rettungsdienst oder Notarzt, welche Klinik
angefahren wird.
- Bei Verdacht auf Schlaganfall sollte eine Klinik mit Stroke Unit (Schlaganfalleinheit) aufgesucht werden.
- Aufenthalte in Krankenhäusern sind für ältere Menschen sehr belastend. Dies gilt besonders für Menschen mit Demenz.
- Häufig
kommt es durch die ungewohnte Umgebung und subjektiv angstmachende
medizinische Untersuchungen zu einem Zustand der Verwirrtheit (Delir).
In der Folge verschlechtern sich bestehende Grunderkrankungen und die
Gefahr für Stürze steigt.
Bei älteren und pflegebedürftigen Menschen muss eine Einweisung ins
Krankenhaus unbedingt mit den eventuellen negativen Folgen für den
Allgemeinzustand des Patienten (Delir, Abnahme der Mobilität) abgewogen
werden.
Leidet Ihr Angehöriger an einer fortschreitenden oder finalen
Erkrankung, ist ein gemeinsam mit dem Hausarzt erarbeiteter Notfallplan
sinnvoll. So lassen sich belastende Klinikaufenthalte vermeiden, wenn
sie nicht absolut notwendig sind.
# Rehaklinik: Selbstständigkeit zurückerlangen
- Eine
geriatrische Reha ist vor allem nach Krankenhausaufenthalten – z.B.
wegen Schlaganfall oder Oberschenkelhalsbruch – sinnvoll. Aktivierende
Pflege und tägliche therapeutische Gruppen- und Einzelanwendungen zielen
auf die Wiederherstellung der Selbstständigkeit des Patienten.
- Orthopädische
oder neurologische Reha-Maßnahmen berücksichtigen die
Mehrfacherkrankungen älterer Menschen nicht ausreichend und kommen nur
in Einzelfällen in Frage. Darüber hinaus muss der Patient “reha-fähig”
sein, d.h. an den Angeboten teilnehmen können. Eine Demenz oder
psychische Erkrankung ist dabei häufig hinderlich.
Über die Bewilligung einer Reha-Maßnahme entscheidet die
Krankenkasse. Lassen Sie sich vom Sozialdienst des Akutkrankenhauses, in
dem Ihr Angehöriger behandelt wird, zur Antragstellung beraten.
Hinweis: Seit Inkrafttreten des Zweiten Pflegestärkungsgesetzes
behandeln Krankenkassen Reha-Maßnahmen bei der Bewilligung bevorzugt
(Grundsatz: “Reha vor Pflege”).
# Memoryklinik: Experten für Hirnleistungsstörungen
Memorykliniken werden auch als
Gedächtnissprechstunden oder Gedächtnisambulanzen bezeichnet. In der
Regel sind sie an größere Kliniken oder geriatrische Zentren
angegliedert. Spezialisten führen dort eine genaue Diagnostik von
Hirnleistungsstörungen durch.
Einen Überblick bietet die Deutsche Alzheimer-Gesellschaft: https://www.deutsche-alzheimer.de/adressen
# Physiotherapie: Bei Senioren nicht wegzudenken
- Physiotherapeuten
zählen zu den Gesundheitsfachberufen und haben bei der Behandlung und
Rehabilitation älterer Menschen eine zentrale Rolle. Sie therapieren
orthopädische und neurologische Erkrankungen, lindern Beschwerden und
achten auf den Erhalt körperlicher Ressourcen.
- Bei
eingeschränkter Mobilität kommen Physiotherapeuten zu den Patienten nach
Hause. Der Hausarzt stellt die dazu nötige Verordnung aus.
- Fragen Sie
Physiotherapeuten nach Tipps zum richtigen Umgang mit Rollator,
Rollstuhl oder dem Transfer des Patienten. Lassen Sie sich einfache
Übungen zeigen, die Ihr Angehöriger selbst oder gemeinsam mit Ihnen
durchführen kann.
- Physiotherapeuten in Ihrer Nähe finden Sie hier: https://www.physio.de/
# Ergotherapie: Alltagskompetenz erhalten
- Ergotherapeuten
gehören zu den Gesundheitsfachberufen und unterstützen Menschen bei der
Bewältigung ihres Alltags. Bei Senioren stehen der Erhalt oder die
Wiedererlangung von alltagsnahen Fähigkeiten im Mittelpunkt, z.B. das
An- und Ausziehen, die Körperpflege oder das Hantieren mit Messer und
Gabel. Daneben trainieren Ergotherapeuten die Merkfähigkeit und
psychomotorischen Funktionen ihrer älteren Patienten.
- Ist ein Besuch in der Praxis nicht möglich, erfolgt die Behandlung zu Hause. Der Hausarzt stellt das erforderliche Rezept aus.
- Lassen Sie
sich vom Ergotherapeuten Bewegungsübungen für ältere Menschen zeigen
und trainieren Sie selbst die Gedächtnisfunktion Ihres Angehörigen, z.B.
über Gesellschaftsspiele oder das Auswendiglernen von Telefonnummern.
# Logopädie: Experten für Sprach- und Kommunikationsstörungen
- Logopäden
sind innerhalb der Gesundheitsfachberufe auf das Thema Sprache und
Kommunikation spezialisiert. Sie behandeln Sprach-, Sprech-, Stimm- und
Schluckstörungen.
- In der
Altersmedizin kommen Logopäden zum Einsatz, sobald das Sprachzentrum der
Senioren beeinträchtigt ist. Dies ist vor allem nach Schlaganfällen
oder bei anderen neurologischen Erkrankungen der Fall. Oft ist eine
längerfristige Begleitung notwendig, damit sich Sprechen und Verstehen
kontinuierlich verbessern.
- Logopäden
machen Hausbesuche, wenn Patienten nicht oder nur mit hohem Aufwand
transportfähig sind. Rezepte werden vom Hausarzt verordnet.
# Apotheken: Beratung nutzen
- Apotheken sind gesetzlich dazu verpflichtet, ihre Patienten und Kunden über Arzneimittel zu informieren und zu beraten.
- Nutzen Sie
die Fachkompetenz vor Ort: Gerade wenn Ihr Angehöriger verschiedene
Medikamente einnimmt, ist ein Wechselwirkungs-Check sinnvoll.
- Lassen Sie
sich zu möglichen Applikationsformen (Tablette, Saft, Zäpfchen, Creme)
und dem besten Zeitpunkt zur Einnahme der Medikamente (Uhrzeit, vor oder
nach dem Essen) beraten. Häufig gilt die Prämisse: Kleine Unterschiede,
große Wirkung!
# Sanitätshäuser/Sanitätsfachhandel
- Der
Sanitätsfachhandel ist ein wichtiger Akteur innerhalb des
Gesundheits-Netzwerks. Die privatwirtschaftlichen Unternehmen
unterscheiden sich in ihrer Größe, regionalen Ausrichtung (örtlich sowie
überregional) und der Produktpalette.
- Die meisten Pflegehilfsmittel werden ärztlich verordnet und von der Krankenkasse bezahlt. Eine Verordnung per Rezept reicht aus.
- Der
Sanitätsfachhandel ist für die Wartung und Instandhaltung der
Pflegehilfsmittel zuständig. Einige Unternehmen bieten Hausbesuche an
und beraten in den eigenen vier Wänden zu den passenden Geräten. Darüber
hinaus führen die Mitarbeiter die richtige Handhabung von Rollator und
Rollstuhl vor.
Im Sanitätsfachhandel erhalten Sie z.B.:
- Körpernahe Hilfsmittel wie Knie- und Fußbandagen
- Einmalhandschuhe und Desinfektionsmittel
- Kompressionsstrümpfe
- Pflegebetten und Antidekubitusmatratzen
- Rollatoren, Rollstühle, Patientenlifter zum Umsetzen
- Inhalationsgeräte
# Spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV): Wenn das Leben zu Ende geht
- Die
spezialisierte ambulanten Palliativversorgung (SAPV) ist eine besondere
Versorgungsform: Schwerstkranken Menschen soll in ihrem eigenen Zuhause
ein würdiges und selbstbestimmtes Lebensende ermöglicht werden. Sie
kommt dann zum Tragen, wenn der Betreuungsbedarf im Rahmen bestimmter
Krankheitsbilder besonders hoch ist (z.B. bei Atemnot, starken Schmerzen
oder ausgeprägten Ängsten der Patienten).
- In einem
Palliative-Care-Team (PCT) arbeiten speziell geschulte Palliative-Care
Fachkräfte und Palliativmediziner (manchmal auch Psychologen oder
Sozialarbeiter) eng zusammen.
- Die Verordnung der Leistungen erfolgt durch den Hausarzt. Die Krankenkasse übernimmt die Kosten.
Das Palliative-Care-Team verfügt über
palliatives Fachwissen, koordiniert alle an der Palliativpflege
Beteiligten und hält engen Kontakt zu Hausarzt, ambulantem Pflegedienst,
Angehörigen, Hospizdiensten und der Apotheke.
Auch wenn das Team rund um die Uhr
erreichbar ist, darf sein Einsatz nicht im Sinne einer Notfallgruppe
interpretiert werden. Vorrangiges Ziel ist die medizinische und
pflegerische Beratung in besonders herausfordernden palliativen
Situationen. Der ambulante Pflegedienst wird so sinnvoll ergänzt.