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Aug. 12, 2020

24-Stunden Pflege anders gedacht: Mecasa zu Gast bei "Pflegefaktisch"

Die Bedeutung der häuslichen 24-Stunden-Betreuung durch ausländische Betreuungskräfte nimmt stetig zu, allerdings ist dieser Markt durch eine Vielzahl von Herausforderungen gekennzeichnet. Bislang gibt es kaum eine wirksame Regulierung. Intransparente Strukturen und erhebliche Qualitätsunterschiede sowohl bei der Vermittlung als auch bei der Betreuung sind keine Seltenheit.

Im Podcast “Pflegefaktisch” mit Francesca Warnecke sprechen Oliver Weiss und Maria Liehr von Mecasa über ihre Arbeit im Bereich der häuslichen Pflege und wie Mecasa den Herausforderungen der Branche begegnet. Sie erzählen auch, wie Mecasa Senioren und Pflegekräfte in einem speziellen Auswahlverfahren zusammenbringt und wie ein von Mecasa initiierter DIN Standard die häusliche Pflege reformieren soll.

Intro

Francesca Warnecke: Herzlich Willkommen zu unserer neuen Folge von “Pflegefaktisch”. Heute unterhalte ich mich mit Oliver Weiss und Maria Liehr von Mecasa. Mecasa ist ein junges Unternehmen, das Betreuungskräfte für zu Hause organisiert, aber das Spannende dabei ist, dass sie ein Verfahren entwickelt haben, das die richtige Betreuungskraft in das richtige Setting mit dem passenden Senior oder mit der passenden Seniorin bringt. Wie das funktioniert, das hören wir heute von Oli und Maria. Ich möchte euch auch ganz herzlich begrüßen. Wir treffen uns hier heute im Zoom und das ist auch eine Premiere, weil wir uns gegenseitig sehen, von daher schauen wir mal, wie das so wird. Die Folge richtet sich erstmal an alle Netzwerker, also an alle ambulanten Pflegedienste, Tagespflegen, Physiotherapeuten, stationäre Einrichtungen oder auch an die Angehörigen, die eine Betreuung brauchen. Von daher ist es eine große und umfassende Folge. Maria ganz kurz für die Hörer: du bist Fachkraft mit gerontropsychiatrischem Schwerpunkt und hast ganz lange in der Pflege gearbeitet, auch als vertretende Pflegedienstleitung. Du hast zudem ganz viel Erfahrung im Aus- und Weiterbildungsbereich. Seit vier Monaten bist du jetzt Teil des Mecasa Teams. Oli für unsere Hörer: du bist Mitbegründer von Mecasa und hast keinen pflegefachlichen Schwerpunkt und kommst eher aus dem wirtschaftlichen Bereich. Ich weiß aber, dass du durchaus aus dem privaten Umfeld, die ein oder andere Erfahrung gemacht hast, weil deine Mutter auch aus der Pflege kommt. Oli kannst du uns ein bisschen was von Mecasa erzählen. Was die eigentliche Ursprungsidee war und wieso ihr gestartet seid?

Oliver Weiss: Super gerne, erstmal vielen Dank an dich Francesca, dass Maria und ich heute bei dir als Gast dabei sein dürfen. Das freut uns natürlich sehr. Nun zu Mecasa. Mecasa ist ein Stuttgarter Jungunternehmen im Bereich der häuslichen Betreuung. Was wir machen ist wir vermitteln ausländische Hilfskräfte an Familien in Deutschland, die Unterstützungsbedarf im Rahmen der Betreuung haben. Das heißt es geht um eine nicht medizinisch fachliche Versorgung im eigenen zu Hause. Es ist so, dass wir erreichen wollen, dass die Menschen möglichst lange in ihrem eigenen zuHause leben bleiben können. Darauf haben wir uns spezialisiert.

Francesca Warnecke: Wie seid ihr eigentlich auf die Idee gekommen?

Oliver Weiss: Also ich persönlich habe das zum ersten Mal mitbekommen bei meiner Oma, die leider mittlerweile nicht mehr lebt, aber sie wurde viele Jahre durch verschiedene polnische Damen im Alltag unterstützt. Da habe ich das so zum ersten Mal kennengelernt. Viele von den Damen habe ich auch selbst sehr ins Herz geschlossen. Ich habe mich auch immer riesig gefreut wenn ich gesehen habe meiner Omi geht's gut, weil sich jemand um sie kümmert und ihr hilft. Sie war zum Glück gar nicht schwer pflegebedürftig, aber eben die Alltagsunterstützung, also das Einkaufen oder das Kochen war für sie nicht mehr möglich. So bin ich zum ersten Mal damit in Berührung gekommen, mit dieser speziellen Versorgungsform. Und ja die Pflege ganz allgemein hast du ja auch eben schon angedeutet. Ich habe ein bisschen eine Vorprägung durch meine Mutter, die eben auch in der Pflege arbeitet. Ich habe selbst auch verschiedene Praktika gemacht und das selbst so ein bisschen mitbekommen. Natürlich nicht im Zuge einer Ausbildung, aber eben doch einen kleinen Teil erfahren und ähnlich geht es auch dem Rest des Mecasa Teams. Also wir haben alle so unsere Berührungspunkte gehabt mit den eigenen Eltern oder den Großeltern.

Francesca Warnecke: Wenn du jetzt sagst, der Rest des Mecasa Teams, also wer ist noch Mitbegründer also wer hat das mit dir gemacht oder wie ist die Idee entstanden?

Oliver Weiss: Wir sind mittlerweile ein Team von vier Leuten. Anfangs waren wir zu zweit als wir die ganze Geschichte gestartet haben und dann haben wir aber unser Kernteam erweitert. Sozusagen um weitere Kompetenzen im Bereich Marketing und im Bereich IT, sodass wir jetzt zu viert sind. Das sind Simon, Jan, Ben und ich.

Francesca Warnecke: Sehr schön und wie ist dann wirklich die konkrete Idee entstanden, dass ihr das auch gerne machen wollt? Weil so einen Betreuungsdienst gibt es ja schon, aber was genau macht euch aus? Was ist das Besondere bei euch?

Oliver Weiss: Die konkrete Entstehung ist eigentlich auch ganz lustig. Simon und ich, wir gingen in Stuttgart zusammen zur Schule und hatten in der Schulzeit einen gemeinsamen Freund, Adam, der polnische Wurzeln hat und der mit seiner damaligen Freundin nach Warschau zurückgekehrt ist. Zu dem Zeitpunkt waren wir gemeinsam mit Adam spazieren bei mir in Stuttgart Degerloch. Wir waren im Wald unterwegs und haben uns irgendwie unterhalten über seine Rückkehr in die Heimat und was er da so machen wird und so weiter. Irgendwie kamen wir darauf, dass er eigentlich sehr gut vernetzt ist, entsprechende Drähte hat und auch seine Verwandten teilweise im Bereich der häuslichen Betreuung arbeiten. Da habe ich mir gedacht, das klingt doch eigentlich ganz interessant. Dann haben wir regelmäßig miteinander telefoniert und haben da versucht was auszutüchteln und so ist die Idee zu Mecasa entstanden.

Francesca Warnecke: Und dann habt ihr euch spezialisiert auf polnische Betreuungskräfte? Das ist ja so bisschen das Schlagwort in der Branche. Man sagt einfach die polnische 24- Stunden Fachkraft oder man hat eine 24-Stunden Kraft zu Hause. Aber das ist ja nicht so ganz, weil da muss man so ein bisschen die Begrifflichkeiten abgrenzen.

Oliver Weiss: Ja, das mit den Begriffen ist tatsächlich relativ schwierig bei uns in der Branche. Also, allererstes hast du gerade schon angedeutet, oft ist die Rede von polnischen Betreuungskräften oder manchmal sogar Pflegekräften fälschlicherweise. Es sind natürlich nicht alle polnischer Herkunft, da gibt es auch viele, die aus Rumänien oder Bulgarien kommen oder aus anderen Ländern. Hauptsächlich eben Ost- und Südosteuropa. Das heißt wirklich verschiedene Länder. Dann haben wir die Thematik, dass sie oft als Pflegekräfte bezeichnet werden, vor allem im Volksmund. Das führt zu Missverständnissen. Das müssen wir unseren Kunden auch erklären. Es ist auch für uns ein bisschen schwierig, weil wir durch Google gewissermaßen gezwungen sind, den Begriff selbst zu verwenden, obwohl wir ihn nicht gut oder falsch finden.

Francesca Warnecke: Weil dann die meisten nach polnischen Betreuungskräften suchen? Also ist das echt so das Schlagwort im Internet?

Oliver Weiss: Ja, also tatsächlich sind die zwei wichtigsten Suchbegriffe polnische Pflegekraft und 24 Stunden Pflege. Das ist halt alles sehr irreführend. Also es ist weder 24 Stunden, denn es gilt das deutsche Arbeitszeitgesetz für die Betreuungskräfte, noch ist es nur Polen

und überhaupt nicht ist es Fachpflege, sondern eben Unterstützung und Alltagsbegleitung.

Francesca Warnecke: Das heißt also, wenn man jetzt auch noch mal so ein bisschen ins Netzwerk geht oder in die Versorgungsstruktur. Also der Fokus liegt schon auf der Betreuung, das heißt, ihr arbeitet aber auch dann mit ambulanten Pflegediensten zusammen? Also, dass wenn dann wirklich Fachkraft Bedarf ist oder falls professionelle Pflege der Bedarf ist, würdet ihr das dann über ambulante Pflegedienste oder Tagespflegen gemeinsam gestalten?

Oliver Weiss: Richtig, das ist für uns sogar Kern der ganzen Sache. Sobald eine höhere Pflegebedürftigkeit vorliegt, braucht es pflegefachliche Unterstützung. Um einen Anhaltspunkt zu haben, ab Pflegegrad 3 verlangen wir von unseren Kunden und unseren Interessenten, dass ein ambulanter Pflegedienst mit dabei ist. Im Zweifel wenn keine Fachpflege anfällt dann halt nur einmal in der Woche zum Medikamente richten und zum checken ob alles korrekt läuft. Das ist uns schon sehr wichtig, denn ohne fachliche Augen geht das nicht und ohne fachliche Augen darf das nicht gehen.

Francesa Warnecke: So könnten wir jetzt quasi den Werbeblock für euch hier einspielen und sagen: alle ambulanten Pflegedienste, die gerne ins Netzwerk wollen, können sich gerne bei euch melden. Ich glaube, das Netzwerken ist auch immer gut. Also das ist auch ganz wichtig, damit man auch da auch die Abgrenzung hat, dass ihr jetzt nicht mit Fachkräften in dem Sinne arbeitet, sondern mit Betreuungskräften.

Oliver Weiss: Genau das sind eben Hilfskräfte und vielleicht auch an der Stelle noch mal, um die Verbindung herzustellen. Auch die Tagespflege ist für uns ganz zentral als Partner zum einen was das Fachliche betrifft aber eben auch weil eben das Arbeitszeitgesetz für die Betreuungskräfte greift und das bedeutet sie müssen mindestens einen freien Tag pro Woche haben. Darauf bestehen wir auch gegenüber unseren Kunden und beraten auch dahingehend, wie der freie Tag ermöglicht werden kann und wie auch die Pausenzeiten und Ruhezeiten der Betreuungskräfte realisiert werden können. Das geht eben nur, wenn die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt wird.

Francesca Warnecke: Wenn ihr jetzt ein Netzwerk aufbaut, habt ihr denn eine Plattform, sodass ihr auch quasi Mittelpunkt seid und auch innerhalb ambulanter Pflegedienste oder möglicherweise stationärer Einrichtung zu vermitteln? Seid ihr da schon dabei, euch weiter zu vernetzen?

Oliver Weiss: Wir sind tatsächlich oft der erste Anlaufpunkt für Angehörige, die Pflege organisieren oder die bisher selbst gepflegt haben. Also viele von denen sind noch nicht besonders erfahren in dem Thema und waren jetzt nicht irgendwie bei einem Pflegestützpunkt, um sich beraten zu lassen. Daher stellen wir oft Kontakte her. Das heißt, dass wir durchaus als Vermittler agieren und den Kontakt zu einem ambulanten Dienst herstellen oder eine Tagespflege empfehlen. Im Einzelnen je nach Region können wir auch Tipps für einen Facharzt geben oder einen Physiotherapeut, über den wir Positives gehört haben. Also, das reicht relativ weit. Wir sind da tatsächlich sehr viele am Netzwerken.

Francesca Warnecke: Seid ihr regional gebunden oder könnt ihr euch auch vorstellen überregional zu arbeiten oder arbeitet ihr vielleicht schon sogar überregional?

Oliver Weiss: Wir haben einen Fokus auf den Südwesten. Also große Teile Baden-Württembergs, ein bisschen Bayern, Rheinland-Pfalz und was so angrenzt. Das ist unsere Schwerpunkt Region, ursprünglich ausgehend von Stuttgart. Mittlerweile sind wir aber auch in anderen Bundesländern aktiv. Voraussetzung ist für uns, dass wir tatsächlich auch einen Partner vor Ort haben, beispielsweise in ambulanten Diensten oder in einem anderen Sinne. Also eine Fachkraft, die regional unterstützen kann, denn eine gewisse Nähe ist für uns sehr wichtig. Wir können zwar viel aus der Ferne machen und viel geht über das Telefon, aber letzten Endes ist es ja doch etwas, was mit dem Menschen zu tun hat und das funktioniert nur, wenn auch eine räumliche Nähe da ist.

Francesca Warnecke: Ja, absolut. Wir haben am Anfang schon gesagt, ihr findet die richtige Betreuungskraft zu der richtigen Situation oder zu dem richtigen Senior in der Häuslichkeit. Wenn wir jetzt von dem Netzwerk noch mal hinschauen, wie funktioniert das denn oder wie bringt ihr die richtigen Menschen denn zusammen und was ist euch da wichtig?

Oliver Weiss: Wenn du mir erlaubst, würde ich ein bisschen früher anfangen, warum wir das überhaupt machen und uns die Erkenntnis kam, warum das wichtig ist. Am Anfang haben wir nicht sehr stark auf die Persönlichkeiten geachtet, die wir zusammenführen. Also bedürftiger Menschen auf der einen Seite und Betreuungskraft auf der anderen Seite. Wir haben die beiden Seiten nach Qualifikationen, nach Kompetenzen, nach Sprache und was gewünscht war zusammengebracht. Zu dem Zeitpunkt haben wir festgestellt, dass es in vielen Fällen nicht funktioniert und dass die zwei Leute, um die es da geht, nicht zueinander passen. Das bedeutet für alle Beteiligten dann ziemlich viel Stress. Für die Menschen, um die es geht natürlich in allererster Linie, dann aber auch für die Angehörigen, die irgendwie Ersatz organisieren müssen. Auch für uns als Vermittler bedeutet es Stress, das Telefon klingelt, wir müssen die Leute beruhigen, müssen wieder Lösungen finden und an der Stelle haben wir uns gefragt: Was können wir eigentlich machen, um es irgendwie besser zu machen?

Francesca Warnecke: Also am Anfang habt ihr einfach Danuta zur Oma gebracht weil sie die Betreuung übernehmen wollte und Bedarf da war. Das ist ja quasi als ob man eine WG neu bildet, das passiert ja nicht nur im höheren Alter.

Oliver Weiss: Ja, das ist durchaus vergleichbar und im hohen Alter ist es natürlich eine besondere Herausforderung. Da ist man vielleicht nicht mehr so flexibel, nicht mehr so anpassungsfähig und wenn dann jemand völlig fremdes zu einem einzieht und die Person spricht noch nicht mal muttersprachlich Deutsch und fängt da jetzt an den Alltag zu organisieren, das ist schon richtig hart. Das muss wirklich gut passen weil sonst gibt es da heftigen Knatsch.

Francesca Warnecke: Ja wie gesagt kennt man ja auch vielleicht aus Studentenzeiten. Was habt ihr dann gemacht, um das Problem zu lösen?

Oliver Weiss: Wir haben uns überlegt wie wir die Personen etwas genauer aufeinander abstimmen können. Das heißt, herauszufinden, wie der eine tickt, wie der andere tickt und irgendwie zu definieren, wie das zueinander passt. Das ist mal der grundsätzliche Gedanke. Dann haben wir uns auf die Suche nach wissenschaftlicher Hilfe gemacht, weil das nichts ist, was man sich irgendwie im Alltag ausdenkt oder wo man so einfach drauf kommt. Wir haben uns dann mit Herrn Professor Hagemann von der Uni Heidelberg zusammengeschlossen und haben unter seiner Leitung mit gemeinsam mit einem weiteren Psychologen ein Verfahren entwickelt wie wir analysieren wie der eine eben tickt und wieder der andere tickt und im Zuge dessen auch definiert, wie das zusammenpasst. Das heißt, letzten Endes haben wir dann eine Logik runter geschrieben.

Francesca Warnecke: Das heißt ich muss mir das so vorstellen: ich habe dann am Ende des Tages ein Fragebogen der digital ausgefüllt wird und dann läuft hintenrum ein bestimmter Algorithmus um zu gucken, dass die Präferenz von dem zu betreuenden mit der Betreuungskraft irgendwie zusammenpassen?

Oliver Weiss: Ja, es basiert letzten Endes auf Fragen aus einem ausgeklügelten Fragebogen. Vieles davon ist situativ angelehnt an die Betreuungssituation. Um es anschaulich zu machen: das sind beispielsweis Situationen in den Senior und die Betreuungskraft im Esszimmer am Tisch sitzen und Suppe löffeln. Sie stellen fest, dass in der Ecke oben ein Spinnennetz ist und dann gibt es eine Auswahlmöglichkeiten. Ich erwarte von meiner Betreuungskraft, dass sie sofort aufspringt den nächsten Mob nimmt und das Spinnennetz runterfischt. Oder ich erwarte von meiner Betreuungskraft, dass sie bei der nächsten Reinigung am Ende der Woche die Spinnen beseitigt. Die dritte Option ist mir ist die ganze Sache relativ egal. Die Betreuungskraft kann das Spinnennetz entfernen aber wenn es nicht tut ist es mir auch egal. In diesem Stile sind viele der Fragen aufgebaut. Eben an realen Situationen orientiert und ähnliche Fragen gibt es dann auf der Seite der Betreuungskräfte. Darauf basierend versuchen wir dann herauszufinden wer zueinander passt und wer nicht.

Francesca Warnecke: Hast du noch ein anderes Beispiel, abgesehen von dem Spinnenbeispiel? Also ich kann mir vorstellen, dass es vielleicht auch um Kommunikation geht? Oder ist man eher extrovertiert oder introvertiert als ein ganz wichtiger Aspekt?

Oliver Weiss: Ja, die Kommunikation ist das A und O. Da wäre die Frage: wünschen Sie sich eine Betreuungskraft, die viel redet, weil sie gerne zuhören, weil sie unterhalten werden wollen oder wünschen Sie sich eine Betreuungskraft, die sich moderat unterhält, das heißt in etwa im Gleichgewicht mit ihnen. Oder wünschen Sie sich eine Betreuungskraft, die zuhört, weil sie selbst viel zu erzählen haben und gehört werden möchten. Das ist beispielsweise eine Frage, die auf das Thema Kommunikation abzielt.

Francesca Warnecke: Ja, ich bin ein eher extrovertierter Mensch. Wenn ich mir vorstelle, ich wäre in der Situation und da würde jemand zu mir kommen, der einfach gar nicht redet oder ganz ruhig ist, ich glaube das könnte ich persönlich gar nicht aushalten. Was für mich auch noch wichtig wäre, ist das Verständnis von Nähe und Distanz. Also ob mir jemand hilft mich anzuziehen oder auch vielleicht hilft den Rücken zu waschen oder sowas. Wäre das auch im Fragebogen mit dabei?

Oliver Weiss: Das Thema Berührung spielt auch eine ganz große Rolle. Dazu gibt es komplett eigene Fragen, die das unterscheiden. Wie du schon angedeutet hast gibt es verschiedene Formen von Berührung. Das kann natürlich funktional sein, im Rahmen der Versorgung also körperliche Hygiene wie z.B Rücken waschen. Es kann aber auch im Sinne von trösten sein, wenn jemand traurig ist. Allgemein kann es eine allgemeine Berührung durch Streicheln sein. Man muss auch immer abwägen, ist es an der Hand oder ist es mal die Wange, die man streichelt. Aber an der Stelle kann Maria auch noch ihre Fachmeinung äußern.

Maria Liehr: Ja, das ist sehr unterschiedlich, wie die verschiedenen Senioren auf Berührung reagieren. Der eine mag das sehr gerne, der andere braucht erstmal sehr viel Vorlauf oder mag Berührung vielleicht gar nicht und gerade bei Menschen mit Demenz braucht es ein sehr gutes Gespür. Wenn die Betreuungskraft meint sie kann die Situation entschärfen, indem sie die alte Dame in den Armen nimmt, kann das auch die gegenteilige Situation erzeugen.

Francesca Warnecke: Ja, Berührung ist unheimlich wichtig. Dabei gleich noch einmal die Frage sind eure Anfragen eher ältere Menschen mit demenziellen Veränderungen oder ist es auch mal der Rentner, der einfach furchtbar alleine ist und einfach ein bisschen Unterstützung braucht? Also habt ihr so eine Bandbreite oder ist alles einfach dabei?

Oliver Weiss: Das ist eine größere Bandbreite. Das reicht von Menschen, die eigentlich rein technisch kaum unterstützungsbedürftig sind, die aber vielleicht einfach ein bisschen einsam sind und die möglicherweise Ihre Partnerin oder Ihren Partner verloren haben. Oder manche Senioren wünschen sich einfach jemanden, weil die Kinder weiter weg wohnen. Dann gibt es natürlich auch stärkere Betreuung, bei denen Senioren stärker pflegebedürftig sind. Das ist natürlich immer in Kombination mit ambulanter Versorgung oder Tagespflege, aber das kann dann durchaus zu weiteren körperlichen oder geistigen Leiden kommen.

Francesca Warnecke: Ja, ich komme da gerade drauf, eben wegen diesem Unterschied zwischen Nähe und Distanz und weil Maria auch das Beispiel angebracht hat, dass die Betreuungskraft dann bei Oma oder bei Opa einfach über die Berührung Sachen anders steuern kann. Habt ihr noch eine Beispielfrage aus dem Fragebogen?

Oliver Weiss: Ja, da sind natürlich noch sehr viele Fragen drin. Nehmen wir jetzt mal eine, die nicht auf dieses Psychologische eingeht. Was natürlich auch eine große Relevanz hat, sind einfache Gewohnheiten: wie man seinen Tagesablauf lebt, um wie viel Uhr steht jemand auf, frühstückt der Senior oder nicht, ist der Kaffee schwarz oder mit Milch. Da gibt es dann manchmal Besonderheiten.

Francesca Warnecke: Das stimmt, das sind Gewohnheiten. Man muss ja nur bei sich selbst mal schauen, was man so für Vorlieben oder Eigenheiten entwickelt.

Oliver Weiss: Wenn man zusammen lebt dann muss natürlich auch das passen oder zumindest muss es beiden Seiten klar sein und aufeinander abgestimmt werden. Darum dreht sich auch sehr viel.

Francesca Warnecke: In der Vorbereitung habe ich auch ein bisschen quer recherchiert zu sämtlichen Betreuungsdiensten und ich habe ganz viele gefunden aber keinen Anbieter, der jetzt über so ein konkretes Verfahren verfügt um herauszufinden, ob die Situation sowohl für die Betreuungskraft, als auch für den Betroffenen passt. Das ist schon euer Alleinstellungsmerkmal, oder?

Oliver Weiss: Ich denke auch, ja.

Francesca Warnecke: Ihr habt ja noch was ganz Besonderes, was ich sehr spannend finde. Ihr habt ja nicht nur dieses spezielle Verfahren entwickelt, was wirklich total viele Bereiche umfasst, sondern ihr seid auch dabei, das zu standardisieren. Könnt ihr dann noch darüber was erzählen?

Oliver Weiss: Ja, super gerne. Also jeder, der sich ein bisschen mit unserer Branche beschäftigt hat, der weiß wahrscheinlich, dass da sehr viel Mist passiert. Das ist teilweise sehr undurchsichtig. Also man weiß beispielsweise als Angehöriger nicht, auf welchen Betreuungsdienst man sich verlassen kann. Arbeitet der Vermittler zuverlässig, reißt das Personal auch wirklich an, ist das Personal zuverlässig, das geschickt wird, ist der Preis angemessen, den ich bezahle oder werde ich abgezockt. Wenn der Preis besonders niedrig ist dann stellt sich immer die Frage: ist es tatsächlich auch eine legale Beschäftigungsform oder geht da irgendwas nicht mit rechten Dingen zu? Das Ganze ist sehr komplex und sehr undurchsichtig und intransparent. Die Qualität ist höchst unterschiedlich. Es gibt wirklich super gute Betreuungskräfte und gute Anbieter und dann gibt's aber auch ganz viele, die wirklich absolut unzuverlässig sind, die unsauber arbeiten und die eigentlich gar nicht auf dem Markt zu suchen haben. Das ist eine riesige Spanne. Da würde man im Qualitätsmanagement dann natürlich sagen: das muss irgendwie standardisiert werden. Wir haben uns da ran gewagt und haben beim Deutschen Institut für Normung einen DIN-Standard für die häusliche Betreuung angezettelt. Der ist inhaltlich so gut wie fertig und wird hoffentlich im Herbst oder im Winter diesen Jahres veröffentlicht. Der DIN-Standard definiert zum ersten Mal relativ strenge Anforderungen an alle Beteiligten. Das heißt einerseits an die Vermittler, aber genauso an die Betreuungskräfte selbst. Ebenso die Dienstleistungserbringer, sprich diejenigen, die Betreuungskräfte beschäftigen. Außerdem werden auch Anforderungen an den Einsatz und den Einsatzort klar definiert. Dadurch wird auch ersichtlich welche Anfragen abgelehnt werden müssen, wenn die eben nicht zu bewerkstelligen sind durch eine einzelne Betreuungskraft oder durch eine Betreuungskraft, die eben keine Fachkraft ist. Das heißt es ist ein relativ langer Kriterienkatalog der sicherlich auch für die eine oder andere Herausforderung bei im Markt tätigen Unternehmen sorgen wird.

Francesca Warnecke: Und seid ihr da einfach hingegangen, habt an die Tür geklopft und habt gesagt: wir sind ein Betreuungsdienst und wir haben uns das so vorgestellt oder war da schon auch so ein bisschen Widerstand? Also es gibt ja so in der Art noch keinen Standard für Unternehmen oder für Betreuungsdienste. Wer war dann daran beteiligt und wie habt ihr das losgetreten?

Oliver Weiss: Wir haben das Deutsche Institut für Normung auf einer Messe kennengelernt und kamen dann mit ihnen ins Gespräch. Sie unterstützen auch junge Unternehmen und fanden uns relativ spannend und wir fanden sie wiederum auch sehr spannend. So hat sich das dann Stück für Stück zu einem konkreten Vorhaben entwickelt. Es hat sich dann ein Gremium konstituiert, dem ich vorsitze und das den DIN-Standard erarbeitet. Das Gremium setzt sich aus Pflegewissenschaftlern, Verbraucherschützern, Juristen, Vertretern von pflegenden Angehörigen und Bekannten und noch ein paar weiteren Teilnehmern zusammen. Also wirklich eine bunte Truppe, die aus allerlei Perspektiven ihr Wissen und ihre Erfahrungen zusammentragen.

Francesca Warnecke: Wenn der DIN-Standard dann veröffentlicht ist, gibt es für die Betreuungsdienste eine Verpflichtung, die Anforderungen umzusetzen oder ist das einfach erstmal ein freiwilliges Angebot, um ein Qualitätssiegel zu haben?

Oliver Weiss: Also zunächst ist das tatsächlich nur eine freiwillige Selbstverpflichtung. Allerdings hoffen wir darauf, dass diese freiwillige Selbstverpflichtung so bekannt wird, dass sich rumspricht, dass man sich nur auf Anbieter verlassen sollte, die diese Zertifizierung haben. In dem Moment entsteht natürlich Druck auf all diejenigen Marktteilnehmer, die sich nicht an dem Dokument und den Vorgaben orientieren.

Francesca Warnecke: Und der Standard kommt noch dieses Jahr im Herbst oder Winter raus?

Oliver Weiss: Ich kenne tatsächlich selbst den genauen Termin nicht, deshalb kann ich dazu leider nicht mehr sagen, aber es wird vermutlich Ende dieses Jahres sein. So sieht die aktuelle Planung aus.

Francesca Warnecke: Ja, spannend. Vielleicht kann ich noch mal einen Teaser machen, wenn der Standard dann veröffentlicht ist. Wer interessiert ist, der kann sich dann bei uns oder bei euch melden, um den Standard einzusehen, oder?

Oliver Weiss: Genau, spätestens ab der Veröffentlichung kann er überall öffentlich heruntergeladen werden.

Francesca Warnecke: Jetzt zu dir Maria. Vielleicht kannst du uns einfach noch mal von deinem Arbeitsalltag bei Mecsa erzählen. Was sind deine Aufgaben?

Maria Liehr: Ich arbeite zum großen Teil in der Kundenbetreuung in der Erstberatung, also wenn die Kunden anrufen bitte ich darum, dass sie erzählen wie die Lage zu Hause ist, was sie tatsächlich brauchen und ob es überhaupt machbar ist mit einer Betreuungskraft. Dann erzähle ich alles was wichtig ist zu wissen. Wie die Arbeitszeiten rechtlich geregelt sind, wie die Anreise abläuft, all’ solche Dinge, das nimmt einen großen Teil meiner Zeit in Anspruch. Dann beschäftige ich mich natürlich auch mit der Bestandskundenbetreuung. Wenn sich die Familien für eine Betreuungskraft entschieden haben, organisiere ich die Anreise, frage immer wieder nach wie es so läuft und wenn es Probleme gibt, bin ich da um zu vermitteln. Ich mache auch Hausbesuche, also ich fahre zu den Familien hin, um sie kennenzulernen, um die Situation zu beurteilen und vor allem auch, um sie zu beraten. Das mache ich auch wenn die Betreuungskraft schon angereist ist, zum Beispiel wenn es darum geht, dass ein Transfer schwierig ist, da kann ich zeigen, wie es vielleicht leichter geht. Oder es braucht eine Vermittlung durch eine neutrale Person, wenn es doch mal einen Konflikt gibt und auch zu anderen pflegefachlichen Themen berate ich vor Ort. Das ist so der eine Teil meiner Arbeit und dann bin ich gleichzeitig auch noch mit Qualitätsmanagement Sachen beschäftigt. Zum Beispiel wie können wir die Familien unterstützen durch Factsheets oder durch eine telefonische Beratung bei komplizierten Anfragen.

Francesca Warnecke: Wenn du in der Beratungssituation bist, was sind denn die häufigsten Fragen, die Angehörige haben?

Maria Liehr: Also das, was am häufigsten gefragt wird, ist wie gut spricht die Betreuungskraft Deutsch, was sind ihre Aufgaben, was kostet das und wie ist das alles geregelt, wie läuft die Anreise ab, wie lange bleibt die Betreuungskraft usw. Also das sind schon die Fragen, die im Vordergrund stehen und vor allem die Organisation betreffen.

Francesca Warnecke: Okay, dann sitzt du einfach mit ihnen zusammen und erklärst ihnen Stückchen für Stückchen, wie der Prozess bei euch abläuft?

Maria Liehr: Meistens mache ich so sogar umgekehrt. Ich bitte die Familie immer erst mal, von sich zu erzählen, dass ich einen ersten Eindruck bekomme. Ist es überhaupt machbar vor Ort und können die Arbeitszeitgesetze eingehalten werden? Trotz einem guten psychologischen Matching kommt es trotzdem immer noch drauf an, ein bisschen ein Gefühl für die Person zu bekommen. Wie schildert jetzt ein Angehöriger die Situation und aus der ergeben sich oft auch noch Fragen, die wichtig sind. Oft findet im ersten Gespräch auch gleich eine Beratung statt und das wissen die Kunden sehr zu schätzen. So eine individuelle Beratung kann auch mal eine halbe Stunde oder sogar länger dauern, wenn das notwendig ist. Also diese Faktenberatung das geht relativ schnell, aber es geht im Gespräch mehr darum, auch die Situation vor Ort zu erfassen und ein gutes Bild zu bekommen.

Francesca Warnecke: Also das heißt, ihr macht nicht nur diese telefonische Beratung, sondern ihr geht, wenn es die Situation zulässt, vor Ort in die Häuslichkeit rein und macht euch dann ein Bild von der Situation vor Ort?

Maria Liehr: Ja, das ist natürlich der Idealfall, weil ich dann ein reales Bild vor mir habe und die Person kenne und in der Anfrage nochmal genauer formulieren kann, was gefragt ist und was wichtig ist.

Francesca Warnecke: Wenn du sagst, du machst auch noch andere Sachen im Qualitätsmanagement, geht das dann schon auch noch mal ein bisschen mehr in diese Fachlichkeit rein, also sowohl für die Betreuungskraft, als auch für die Angehörigen? Also zum Beispiel diese ganze Geschichte zur Inkontinenzversorgung, erstellt ihr die Materialien selber oder arbeitet ihr da sehr eng mit den ambulanten Pflegediensten zusammen?

Maria Liehr: Wir beraten tatsächlich auch die Angehörigen direkt zu verschiedenen Sachen. Am Telefonat geben wir dann auch unseren Wissensstand zu pflegefachlichen Themen weiter, aber ich sage auch immer, wenden Sie sich doch an den ambulanten Dienst vor Ort, der kann Ihnen dann das eine oder andere eventuell noch näher erklären oder zeigen. Also das ist auch so ein großer Punkt, dass wir an weitere Stellen verweisen wie z.B an die Alzheimer Gesellschaft oder regionale ambulante Dienste.

Francesca Warnecke: Ja, dann reicht dein Arbeitsspektrum auch von A bis Z, oder?

Maria Liehr: Ja, das stimmt, das ist sehr breit gefächert und das macht mir auch so Spaß, weil ich dann immer noch was dazulerne.

Francesca Warnecke: Wenn wir jetzt noch mal aus deiner fachlichen Sicht auf Corona schauen, viele alte Menschen sind ja generell oft alleine zu Hause. Durch Corona hat es sich verstärkt, dass die Angehörigen nicht so oft zu ihren Verwandten gegangen sind. Welche Erfahrungen habt ihr da gemacht? Wie ist das aus deiner fachlichen Sicht mit der Einsamkeit im Alter?

Maria Liehr: Wobei das glaube ich gar nicht so viel Fachlichkeit bedarf. Aus meiner Erfahrung ist Einsamkeit im Alter ein riesen Thema. Ich bin überzeugt davon, dass das tatsächlich auch krank machen kann oder die Senioren infektanfälliger sind und anfälliger für depressive Erkrankungen. Einsamkeit kann sehr, sehr belastend sein, bis hin zu einem früheren Tod führen. Corona hat es natürlich noch mal deutlich verstärkt, also das ist die Angst, die sowohl bei den Familien, als auch bei den zu Betreuenden entsteht. Gerade im ambulanten Bereich sollte jede Familie für sich entscheiden können welches Risiko sie eingeht, weil es zwar Zahlen zu Corona Toten gibt, aber es gibt keine Zahlen dazu, wer an Einsamkeit leidet und welche Konsequenzen das hat. Ich sage jetzt nicht, dass die Corona Vorschriften schlecht sind, aber ich denke, man muss beides sehen oder man muss auch die Auswirkungen sehen, die diese Vorschriften haben.

Francesca Warnecke: Ja, das hat sicherlich langfristige Auswirkungen auf die Psyche. Und da sieht man vielleicht noch mal in einem halben oder dreiviertel Jahr, wie sich die Situation verändert hat. Wenn wir jetzt noch von etwas Positivem sprechen, was sind denn eure schönsten Vermittlungsmomente? Habt ihr da ein oder zwei Beispiele, wo das einfach total gut funktioniert hat?

Maria Liehr: Über jede Vermittlung, die funktioniert, freue ich mich riesig, muss ich sagen. Ich hatte ein Gespräch mit einer alten Dame, die blind ist und ich hatte sie auch vorher besucht, also hatte ich einen sehr genauen Eindruck von ihrer Situation. Ihr konnten wir eine Betreuungskraft vermitteln und als ich gefragt habe, wie sieht's denn aus, wie kommen sie denn klar mit ihrer Violetta, dann hat sie gesagt: also Sie hätten mir niemand besseres schicken können, ich bin Ihnen so dankbar. Also das ist so schön, wenn es dann einfach gut passt und auch als die Seniorin dann sagte, die Betreuungskraft spricht aber nicht so gut Deutsch, spielte das dann keine Rolle mehr. Ihre größte Sorge war, dass Violetta dann auch wirklich wiederkommt. Wenn es einfach menschlich passt, ist das für mich das Schönste. Eigentlich sollte das was Selbstverständliches sein, aber das ist immer wieder sehr schön.

Francesca Warnecke: Ja, das glaube ich. Wie lange seid ihr denn schon am Markt und wie viele Betreuungskräfte habt ihr denn vermittelt? Und wie viele davon sind gut gelaufen und gab es dann doch auch noch einige Fälle, in denen es aus welchen Gründen auch immer nicht funktioniert hat?

Oliver Weiss: Wir machen das seit dem Jahr 2017 und haben mittlerweile doch schon einige Erfahrung. Es gibt natürlich immer wieder Betreuungssituationen, die nicht hinhauen, trotz unseres Zuordnungsverfahrens, trotz der psychologischen Abstimmung der Leute aufeinander. Also, da wären wir unehrlich, wenn wir das verschweigen würden. Natürlich gibt es Situationen, wo es nicht passt. Da hilft auch das beste Verfahren und die größte Wissenschaft nicht weiter. Wir konnten das stark reduzieren, also wirklich fast halbieren, aber es gibt immer wieder Momente, wo es trotzdem auf der persönlichen Ebene nicht passt, oder sich der Gesundheitszustand verschlechtert hat, weil es noch mal einen Schub gab bei der demenziellen Erkrankung. Wenn es nicht funktioniert, muss man tauschen oder in manchen Fällen auch sagen, diese Versorgungsform ist vielleicht nicht die richtige oder nicht mehr die richtige.

Francesca Warnecke: Aber im Großteil der Fälle funktioniert es?

Oliver Weiss: Ja, genau. Wir haben momentan ungefähr 100 Familien, denen wir Betreuungskräfte vermittelt haben. Wir hatten in der Vergangenheit auch noch viele andere Fälle, die dann auf die eine oder andere Weise durch das Versterben des Seniors oder einen veränderten Gesundheitszustand beendet wurden. Dadurch haben wir mittlerweile ziemlich viel Erfahrung. Da merkt man, was funktioniert und was nicht. Wir können auch immer wieder unser Zuordnungsverfahren weiter darauf abstimmen und uns dahingehend verbessern.

Francesca Warnecke: Also findet der Austausch auch immer noch mit der Universität oder Professor Hegemann statt, sodass ihr euch da immer noch absprecht und auch die Fragebögen noch mal anpasst oder macht ihr das dann in Eigenregie?

Oliver Weiss: In der letzten Zeit war der Austausch nicht mehr so eng. Die Fragebögen haben wir trotzdem weiterentwickelt. Wir arbeiten auch noch mit einem weiteren Psychologen zusammen. Das ist ein ständiges Weiterentwickeln und da wird sicherlich auch in den nächsten Monaten und in den nächsten Jahren noch einiges dazu kommen.

Francesca Warnecke: Sehr schön und so langsam kommen wir auch schon zum Schluss. Habt ihr aus dem Bauch heraus Tipps für ambulante Pflegedienste, die mit euch zusammenarbeiten wollen?

Oliver Weiss: Auf jeden Fall Kontakt aufnehmen!

Francesca Warnecke: Welche fünf Tipps würdet ihr gerne euren Kunden, also den Angehörigen, mit auf den Weg geben?

Oliver Weiss: Also mein erster Tipp wäre, nehmt euch Zeit. Wer zum ersten Mal vor dieser Herausforderung der Pflege oder Betreuung steht und damit vielleicht nicht von Berufswegen vertraut ist, für den ist es wirklich eine ganz neue und eine ganz schön herausfordernde Welt. Das heißt, das braucht Zeit. Man muss sich einlesen, beraten lassen, sich selbst Dinge erschließen und erarbeiten.

Maria Liehr: Außerdem die Situation realistisch einschätzen und ehrlich sein. Also es bringt nichts irgendwas zu beschönigen und zu sagen alles ist gut bei uns zu Hause, wir brauchen nur jemanden der das Essen kocht und dann ist es halt anders in der Realität. Manchmal wohnen die Kinder weiter weg und sagen dann auch ich weiß gar nicht so genau wie das jetzt ist und dann müssen wir schon immer wieder den Ball zurückspielen und sagen: bitte bringen Sie das in Erfahrung, das müssen wir wissen, wenn wir jemanden für die Betreuung suchen.

Oliver Weiss: Ein weiterer Tipp wäre, Beratung in Anspruch nehmen. Es gibt super viele Einrichtungen, sei es von der Kommune, von der Privatwirtschaft, von kirchlichen Trägern oder anderen Anlaufstellen, die wirklich viel Erfahrung und Kompetenz haben. Das heißt auch auf die Leute zugehen, anrufen, sich was aussuchen und zu einem Treffen gehen. Da gibt's ja auch viele persönliche Beratungsgespräch. Das muss gar nicht telefonisch sein. Man kann sich auch im Internet einlesen, da gibt es mittlerweile auch viel gutes Material.

Francesca Warnecke: Ja, ich glaube, die drei Sachen sind wahrscheinlich das Wesentliche: Zeit nehmen, Beratung annehmen und die Situation realistisch einschätzen können. Sonst kann es nicht funktionieren. Wenn ihr wollt, könnt ihr nochmal Werbung für eine Kooperation mit den ambulanten Pflegediensten machen.

Oliver Weiss: Wir sind natürlich sehr interessiert an der Zusammenarbeit mit ambulanten Diensten, genauso mit Tagespflegen, weil die eben auch für uns ganz wichtig sind. Aber wir sind auch an anderen Kooperationen interessiert mit Partnern, die einen Teil der Versorgung erbringen. Unser Wunsch wäre es, wenn ihr Interesse habt, dann nehmt gerne Kontakt mit uns auf, schreibt uns eine Mail, am besten an kontakt@mecasa.de oder schreibt einfach über die Webseite. Da haben wir ein Chatfenster oder ruft einfach an, die Nummer steht auch überall. Wir würden uns riesig freuen und wir nehmen uns gerne auch Zeit für persönliche Gespräche oder für persönliche Treffen. Das ist uns sehr wichtig .

Francesca Warnecke: Super oder im Zweifel einfach bei uns noch mal nachfragen, dann kann ich den Kontakt vermitteln. Ich finde euch jedenfalls super und ich bin total überzeugt und auch ganz gespannt, wie es weitergeht. Vor allem auch mit dem DIN-Standard und ich bin mir ziemlich sicher, dass wir noch ganz viel von euch hören werden und vielleicht sogar überregional. Bedarf ist da definitiv vorhanden. Ich bedanke mich ganz herzlich bei euch für dieses wunderbare Interview. Den Podcast könnt ihr wie immer überall an den gängigen Podcastsstellen hören, bei Spotify oder Deezer oder auf der Webseite von uns oder über den Browser. Ansonsten bleibt mir jetzt nichts weiter zu sagen als: Lächeln statt Händeschütteln und Podcast hören.